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Digitales Zeitzeugengespräch

„Das wichtigste, was man für die Gesellschaft tun kann, ist, den Hass aus dem gesellschaftlichen Leben zu verbannen“ - Éva Fahidi

Vor einem Jahr, am 11. April 2020, anlässlich der 75-jährigen Befreiung des Konzentrations-lagers Buchenwald, wurde Éva Fahidi, Auschwitz- und Buchenwaldüberlebende, Filmprotagonistin, Buchautorin und Tänzerin, zur Ehrenbürgerin Weimars ernannt. Schon länger wirkt sie bei den ACHAVA Festspielen Thüringen mit und erzählt als Zeitzeugin des Holocausts von den ihr zugefügten Gräueltaten gegen Menschlichkeit und Menschenwürde. So auch am 12. April 2021 vor den eA-Geschichtskursen der 12. Klasse, zu denen sie live aus Budapest gesprochen hat. Moderiert wurde die Veranstaltung von Martin Kranz als Intendant der Festspiele sowie Mickél Schweickert und Konstantin Oppeneiger, die als Co-Moderatoren mitgewirkt haben.

Éva Fahidi wurde am 22. Oktober 1925 in Debrecen als Tochter einer jüdischen Familie geboren. Sie wuchs zusammen mit ihrer kleineren Schwester in Ungarn auf und beschrieb ihre Kindheit als schön und glücklich. Vor allem dem Mut und der Stärke ihrer Mutter brachte sie große Anerkennung entgegen. Als Kind ahnte sie jedoch noch nicht, was sie in der Zukunft Schreckliches würde durchmachen müssen. Am 14. Mai 1944, als sie 18 Jahre, also in unserem Alter war, wurde sie mit ihrer Familie nach Auschwitz deportiert. In einem engen, dunklen Viehwaggon zusammengepfercht musste sie mit 80 weiteren Menschen die Strecke nach Auschwitz unter entsetzlichen Umständen und stehend aushalten, denn es war kein Platz, um sich hinzusetzen. Kurz nach ihrer Ankunft im Konzentrationslager wurde Éva ohne Vorwarnung von ihrer Familie getrennt. Sie erinnert sich nicht daran, ob sie ihren Vater verabschiedet hat und wenn ja, was ihre letzten Worte an ihn waren. Dieses Unwissen beschrieb sie uns als sehr qualvoll und belastend. Ihre Mutter und ihre Schwester sah sie nach der Trennung im Konzentrationslager nie wieder - sie wurden für die Gaskammer selektiert und ermordet. Évas Vater starb letztlich an den grausamen Lagerbedingungen. Nach sechs Wochen wurde sie in das Außenlager des KZ-Buchenwald Münchmühle versetzt und musste dort ohne Schutzkleidung und Schutzmaßnahmen Waffen für die Rüstungsproduktion herstellen. Durch die gefährlichen Produktionsvorgänge und die verwendeten Materialien verfärbte sich ihre Haut gelblich, „Zitronen“ nannte man sie und die anderen Häftlinge. Durch die menschenunwürdigen Haftbedingungen und Quälereien wurde sie schwach und abgemagert. 1945, bei Kriegsende, schaffte Éva es, auf dem Todesmarsch in eine Scheune zu flüchten. Einige Tage später wurde sie von den Alliierten gerettet und mit Panzern in ein naheliegendes Dorf gebracht, wo sie aufgenommen und versorgt wurde. Éva Fahidi überlebte als einzige ihrer gesamten Familie die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald.

Bewegt von Fahidis Biographie studierte die Regisseurin und Choreographin Réka Szabó mit Éva und der Tänzerin Emese Cuhorka eine Tanzperformance ein. Der Film „The euphoria of being – die Leichtigkeit des Seins“, dessen Zusammenschnitt uns im Rahmen des Zeitzeugengespräches gezeigt wurde, dokumentiert die monatelange Probenarbeit. Schnell entwickelt sich eine intensive Beziehung zwischen den drei Frauen. Éva stößt dabei aber nicht nur an ihre physischen Grenzen, der dialogische Prozess schwemmt auch schmerzhafte Erinnerungen an die Oberfläche, welche sie psychisch sehr belasten. Die tänzerische Ausarbeitung, bei der sie ihrem Hobby aus Kindertagen nachgeht, hilft ihr, sich mit dem Trauma auseinanderzusetzen und das Geschehene zu verarbeiten.

59 Jahre lang konnte Éva aufgrund ihres Traumas, bedingt durch ihr Leiden im Lager, nicht über ihre schrecklichen Erlebnisse sprechen. 2004 beschloss sie, dass es wichtig ist, von den Gräueltaten des Nationalsozialismus zu berichten, damit sich Derartiges nicht noch einmal wiederholt - auch wenn sich diese menschlichen Abgründe nur schwer in Worte fassen lassen. Die Freiheit, in der wir leben, ist nichts Selbstverständliches - das verdeutlichte uns die sehr lebensfrohe und optimistische Éva durch ihre Erzählungen. Mit ihrer Geschichte hat sie uns sehr berührt und uns geholfen, das im Unterricht Gelernte auf einer sehr persönlichen Ebene zu vertiefen. Éva gab uns Jugendlichen auch mit auf den Weg, dass die Zukunft in unseren Händen liegt. Wir sind verantwortlich dafür, keinen Hass in der Gesellschaft zuzulassen und können durch unser Engagement den Austausch unter den Menschen stärken und zu einem friedlichen Miteinander beitragen.

Cornelia Böck & Paula Rüster
Klasse 12