Auf den Spuren von Franz Liszt

Am 18. März unternahm der Musikkurs 12 von Frau Troesch und Herrn Rauschelbach eine Exkursion in die Herz-Jesu-Kirche Weimar und traf dort Prof. Martin Sturm. Die dort gesammelten Ideen und Impulse rund um die Themen "Virtuosentum", "Berührung in der Musik" und das Orgelspiel im Allgemeinen vereinten sich in spannenden Fachartikeln.
Musik die verbindet – die Orgel als Symbol für Gesellschaft und Kunsthandwerk
Nichtsahnend bei meinen Großeltern auf dem Dorf im Garten sitzen, ein Stück
Kuchen genießen, und auf einmal höre ich es wieder. Nebenan in der kleinen
Dorfkirche spielt jemand die alte Orgel. Übt vielleicht für die nächste
anstehende Messe, oder spielt ganz für sich, einfach so. Ganz für sich, aber
auch für uns, auch für alle, die die Klänge bis jenseits der Kirchentüren
vernehmen können. Für mich gehört das zu meinen liebsten
Kindheitserinnerungen, und wann immer ich diese Orgelklänge höre, fühlt sich
das ein Stück nach Zuhause an. Für viele, die in Deutschland, besonders in
einem christlich geprägten Umfeld aufgewachsen sind, ist das vielleicht ganz
ähnlich. Doch wieso schafft es die Orgel, wie wahrscheinlich kein anderes
Instrument, so ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen? Was macht sie so
besonders? Wie kann ein einzelnes Musikinstrument uns so sehr das Gefühl
geben, all unsere Emotionen zu vereinen und wiederzugeben? So einnehmend
sein?
Die Faszination „Orgel“ ist ein gesellschaftliches Phänomen, doch bei manchen
scheint sie doch einen noch bleibenderen Eindruck hinterlassen zu haben als
bei anderen. So auch bei Prof. Martin Sturm, der sich nach einem Studium der
Kirchenmusik, verschiedenen Arbeiten als Komponist, künstlerischer Berater bei
Orgelneubauten und -Restaurationen und verschiedensten nationalen und
internationalen Auszeichnungen für zum Beispiel
Orgelimprovisationswettbewerbe schließlich selbst entschloss, Professor für
Orgel und Orgelimprovisation an der Weimarer Musikhochschule zu werden.
Eine große Faszination bringt er nicht nur für das Instrument. Der Namensgeber
der Hochschule und Orgelvirtuose, Franz Liszt, birgt selbst eine mindestens
genauso große Faszination.
Die Künstlerstadt Weimar darf nicht nur stolz behaupten, einen so
einflussreichen Künstler wie Liszt als Bewohner gehabt zu haben. Bis heute kann
man in der katholischen Kirche der Stadt sogar die Klänge derjenigen Orgel
vernehmen, die Liszt persönlich zu bauen veranlasste. Orgeln sind dank ihrer
vielen verschiedenen Register und Pfeifen einzigartig wie Fingerabdrücke und
jede Orgel hat ihre eigene Klangfarbe. Solche Zusammenstellungen werden
bei jedem neuen Orgelbau genaustens durchdacht. Neue, nie dagewesene
Register werden neu hinzugefügt, Klänge anders kombiniert und immer wieder
kann dadurch etwas entstehen, was völlig neu ist, auch wenn die Orgel selbst
nicht erst eine Erfindung der jüngsten Vergangenheit ist. Und nicht nur die
Bauweise der Orgel, auch jeder Interpret verleiht dem Spiel seinen eigenen
Klang.
Die Orgel ist als Instrument ebenso vielfältig wie komplex und so geht der Begriff
der Virtuosität mit dem Orgelspiel Hand in Hand. Jedes gezogene Register
bringt eine neue Ebene der Dynamik, eine neue Stufe des Klangs. Und wenn
tausende von Pfeifen in einem Stück zusammenkommen, um ein Werk mit
Emotion zu füllen, genau dann kann der Zuhörer wirklich berührt werden. Und
nach Prof. Sturm ist künstlerischer Ausdruck in der Musik genau das. Berührung
beim Zuhörer schaffen. Berührung kann immer da passieren, wo der Hörer
emotional offen ist, und dann überrascht wird. Überrascht von einer
einzigartigen Weise, musische Kunst zu kreieren.
Die Orgel zu spielen erfordert nicht nur jahrelange Übung, Disziplin und
Willenskraft, sondern auch emotionalen und körperlichen Einsatz. Im Gegenzug
kann durch die Komplexität jedoch wahre Virtuosität entstehen, die den
künstlerischen Ausdruck auf eine neue Bedeutungsebene hebt.
Die Möglichkeiten, die das Orgelspiel bietet, sind letztendlich wohl der Grund,
warum es so viele Menschen und Generationen zu verbinden und zu berühren
vermag. Mit der Orgel wurde ein Instrument geschaffen, was künstlerischen
Ausdruck für die Gemeinschaft erlebbar macht wie kein anderes. Und mit jeder
neuen Orgelpfeife und jedem neu kreierten Register werden wieder neue
Möglichkeiten geschaffen, Menschen jahre- und jahrhundertelang zu
begeistern, zu berühren und zu faszinieren. Denn kein anderes Instrument
schafft es wohl, der Vielfältigkeit der menschlichen Emotionen so nahe zu
kommen, wie die Orgel es kann. Mit dieser Fähigkeit vereint sie die
Gemeinschaft und schafft eine Musik, die uns Menschen durch das tiefste
Innere verbindet. Unsere Gefühle.
Lena Hartung
